2015/01/16

Bodo #088: Gedankenblitzkrieg

Liebes Bodo,

man kann Tage und Nächte im Internet damit zubringen, "Information" zu observieren. Tausende Artikel, Videos, Podcasts und Websites zu allen nur erdenklichen Themen stehen zur freien Verfügung; die Lebzeit eines Menschen alleine reichte nicht einmal für die bloße Sichtung aller Informationen aus, geschweige denn für deren Erfassung und Relativierung im themenübergreifenden Kontext.
Ok, so ist die Welt, kompliziert und vielschichtig, was will man machen.

Blöd nur, daß das Bilden eigener Ansichten durch die manchmal offensichtliche, häufig aber clever verborgene Manipulations-Absicht derer, die Information zur Verfügung stellen oder in ihrem Sinne kommentieren, torpediert wird.

Mein Ohr tut weh. Denken fällt schwer genug. Bildung ist Vertrauenssache; Vertrauen in Fremde ist generell ungerechtfertigt. Zeit ist knapp, Überzeugung muß schnell gehen, Psychologie erweist sich diesbezüglich als hilfreichstes Instrument. Informationen sind populistisch und/oder emotional codiert, Nachrichten von PR kaum mehr zu unterscheiden.
Das Bilden einer differenzierten Meinung ist so gut wie unmöglich; ich bin mir dessen bewußt, auch der hohen Fehlbarkeitswahrscheinlichkeit meiner eigenen Meinung, meiner Gedanken, der kompletten Ausrichtung meiner Persönlichkeit.

Die Herausforderung ist, trotz dieser Gewissheit Position zu beziehen.
Wo immer es geht einen Standpunkt zu vertreten nach "bestem Wissen und Gewissen" ... eine ärgerliche Phrase, zu der ich im Moment jedoch keine trefflichere Alternative finde.

Es geht also darum ... an eine Meinung fest zu ... glauben?
Wie sonst sollte man, allen Gegenargumenten zum Trotze, und Gegenargumente gibt es immer, an seinem Standpunkt aufrichtig festhalten können? Die Einsicht in die häufig zutreffende Tatsache, daß beide Seiten eines Konfliktes auf nachvollziehbarer Argumentation wurzeln, hilft nicht beim notwendigen Treffen von Entscheidungen. Wer Verantwortung übernimmt, darf nicht nach jedem berechtigten Einwand der Gegenseite sofort seine Einstellung überdenken, wenn er/sie/es jenseits der grauen Theorie handlungsfähig bleiben will. Aber wer stur an einer Perspektive festhält, komme was wolle, handelt in jedem Falle unverantwortlich.

Der wahrscheinlich einfachste Weg, sich ein solides Gesinnungsfundament zu schaffen, besteht aus ansatzloser Okkupation bereits im Vorfeld vorhandener Weltanschauung, die sich dann im Alltag durch soziale Interaktion und (Medien-)Konsum passend zu Umfeld und Lebenssituation mehr oder weniger automatisch individualisiert, personalisiert.
Das Erarbeiten eines eigenen Standpunktes von Grund auf, quasi aus dem Nichts, alleinig auf eigener Erfahrung, moralischen Prinzipien und andere persönliche Standpukte gestützt, ist sehr viel schwerer umzusetzen, erfordert ein Vielfaches an Zeit und Hingabe, liefert dabei aber nur in Ausnahmefällen Resultate, die nicht bereits erdacht sind, nicht bereits aktiv vorgelebt werden, was wohl der Hauptgrund für die allgemein mangelnde Bereitschaft sein dürfte, Haltungen eigenständig zu formen, statt sie gefällig aus BILD, Bunte und Tagesschau einfach zu übernehmen. Letztendlich wird es immer jemanden geben, der gebildeter oder intelligenter oder einfach im jeweiligen Fachbereich erfahrener ist, als man selbst, noch dazu eloquenter und charismatischer ... warum also Arbeit investieren in eigenes Denken, wenn doch nur Unvollkommenes dabei entstehen wird, möglicherweise gar faktisch Falsches?!?
Verspottet kann man werden für seine aufrichtigen Meinungsbildungs-Bemühungen, vielleicht gar in Grund und Boden argumentiert, weil man trotz hohem Aufwand und intensiver Recherche nicht jeden Aspekt gründlich genug durchdacht hat. Schließlich verfügt man als Privatperson nicht über das Budget der großen Zeitungen, nicht über ausreichende Kontakte zu Politik und Wirtschaft, wahrscheinlich nicht mal über journalistische Ausbildung oder nennenswerte Fremdsprachenkenntnis, das Englische mal großzügig außen vor gelassen. Gibt ja genuch Leutz, die schon bei der Muttersprache ordentlich Abstriche machen müssen und jenseits des Hauptschulabschlusses wenig bis gar keine Kompetenzen vorzuweisen haben, die über ihre tägliche Beschäftigung am Fließband oder auf der Baustelle hinausgingen. Wenn solcherlei Klientel anfängt, eigenständiges Denken praktizieren zu wollen, kann das nur in die Hose gehen. Oder?
Ist es also besser, denen ne BILD in die Hand zu drücken, um den potentiellen Schaden beim Erdenken ihrer Ideologie möglichst gering zu halten?
Sind Akademiker automatisch gute bzw. bessere Denker, oder drückt man ihnen statt der BILD einfach die FAZ in die Hand, oder Nietzsche oder das Handelsblatt bei prinzipiell gleichbleibendem Effekt?
Gibt es überhaupt so etwas wie Gedanken oder stattdessen doch nur (zufällig?) auftretende, elektrische Impulse in den äußeren Randbereichen eines rätselhaften Organes?


Denken ist anstrengend, verwirrend und führt in vielen Fällen zum keinem zufriedenstellenden Endergebnis.
Das Unterlassen von Denkprozessen ist aber auch bei den sogenannten "Dummen" keine empfehlenswerte Alternative in einer Gesellschaft, die primär darauf ausgerichtet zu sein scheint, Gedankenlosigkeit zu fördern, ironischerweise nicht zuletzt durch einen Überfluß an von zielgerichteter Manipulation durchsetzter Information.

Weswegen die Bereitschaft zu glauben nicht verschwinden wird.
Lediglich modernisiert, weg vom diffusen Gottesbild hin zum weltlichen Prinzip.
Religion ist ein Auslaufmodell. Sie ist wie Windows 95 ... hat noch immer zahlreiche Fans, existiert noch immer auf vielen Festplatten, ist aber längst nicht mehr in ausreichendem Umfang kompatibel mit den Anforderungen einer irrsinnig rasant komplexer werdenden Welt.
Religion ist aber kein echtes Synonym für Glaube, egal, wie häufig gegenteiliges netzweit auch vermerkt sein mag. Philosophie ist ein Synonym für Religion, Überzeugung ist ein Synonym für Glaube. Und überzeugt sein kann man ... MUß man von Vielem, wenn man sich nicht ein Leben lang isolieren möchte von "Gott und der Welt".


All dies war und bleibt mein Eigentum, selbst erdacht und formuliert.
Sicherlich kein einmaliges oder außergewöhnliches, aber trotzdem wertvolles, weil ehrlich und nach "bester Ahnungs- und Gewissenlosigkeit" erarbeitetes Konstrukt.

Mein Ohr tut weh. Möglicherweise sollte ich das nicht weitere 2 Wochen lang ignorieren ......
was glaubst du, Bodo? Darfst ruhig auch mal ne Meinung haben zu Zeuch, nich immer nur die meine präsentieren.
WAS IST LOS MIT DIR? BIST DU ZU FEIGE, SELBER ZU DENKEN?!?!?!?!?

...
ich muß den Kram echt nochma durchlesen, bevor

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