2013/12/30

Bodo #064: Die Hürde des Handelns ist unerhältlich



Liebes Bodo,

ich war grade bei ... ähm ... Seetang im Wikingerschlübber ... oder so ähnlich ...
also HIER ...
weil ich vorher wie üblich um diese Zeit bei Wölfl vorbeisurfte und der hatte sich aufgeregt wegen der Apfelbörse bei Audi ... oder so ähnlich ...

Ich sollte meine Gedanken häufiger sortieren, bevor ich denke.

Jedenfalls hats im Seetang-Blog ganz allgemein viel Widerstand gegen das korrupte Schweinestaatbullenfinanzsystem.
Was ja auch gut und richtig ist. Ich mags auch nicht, das korrupte Schweinestaatbullenfinanzsystem. Aber darum solls im Moment nicht gehen.
Ich möchte nämlich primär Bezug nehmen auf folgende Bezugnahme.

Zitat Seetang ...
"die würde des menschen ist unantastbar. wenn ein staat lohndumping, altersarmut und soziale verwahrlosung billigend in kauf nimmt oder sogar willentlich fördert, ist ein menschenwürdiges leben nicht mehr möglich."
Zitat Ende

Die Würde des Menschen ist also unantastbar. Gern verzapfter Spruch.
Unantastbar ... klingt gut, stabil und unbeugsam, ironischerweise sogar irgendwie griffig.
Unantastbar. Jaaaaaa.
Is natürlich ne Anspielung auf das Grundgesetz der BRD.
Im Gesamtwortlaut besagt Artikel 1, Absatz 1 dieses Grundgesetzes:
"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."

Prima.
EXXXXXXXXXELLENT!
FUCKIN' AWESOME!!!!!!!!

Aber was soll das eigentlich bedeuten?
Die Würde ist unantastbar? Wie das?

Jaja, sicher ... man kann Würde nicht anfassen. Sie hat ja keine physische Dichte. So gesehen ist der Satz natürlich korrekt. Wobei er, wäre die Verlegung des inhaltlichen Fokus aufs würdige Befummeln tatsächlich ursprüngliche Aussageabsicht der Verfasser dieses Gedankens gewesen, wahrscheinlich eher lauten würde ...
"Die Würde des Menschen ist unERtastbar."

Unantastbarkeit. Kein überaus geläufiger Begriff. Was soll er vermitteln?
Ist "Unantastbarkeit" in diesem Kontext ein Synonym für "Unverletzlichkeit"?
Ja? Nein???

Warum lautet der Satz nicht ... "Die Würde des Menschen ist unverletzlich." ... ?
Nun, ich nehme an, weil auf diese Weise schnell auch dem schlichteren Gemüte deutlich wird, daß diese Aussage nicht haltbar ist.
Die Würde ist offenkundig verletzlich. Der ganze Mensch ist verletzlich. Der Staat, die Moral, das Recht, die Wahrheit ... allesamt verletzlich.
Schon leichte Bewegungen der tektonischen Platten oder ein einzelner, böswillig unter Zuhilfenahme öffentlichen Flugverkehres abgerissener Hochhauskomplex reichen bisweilen aus, Verletzungen von globalem Ausmaße hervorzurufen; Verletzungen, die so gewaltig sind, daß sie nachhaltigen Einfluß auf unser Verständnis von Würde, Moral, Recht und Wahrheit nach sich ziehen.
Ich kann mich derweil nicht daran erinnern, daß etwa dem Erdbeben vor der japanischen Ostküste 2011 ernstlich zum Vorwurf gemacht wurde, es habe die Unantastbarkeit der Menschenwürde mißachtet. Und selbst wenn ... wäre die Würde wirklich unantastbar, könnte auch allervorsätzlichste Mißachtung dieses Prinzips die Würde nicht beschädigen. Kein Terrorangriff, kein Erdbeben, kein Weltkrieg und keine Supernova ... NICHTS UND NIEMAND wäre in der Lage, die Menschenwürde zu gängeln, auf welche Weise auch immer.
.
.

Ja, Virginia, es gibt eine Antastbarkeit der Menschenwürde.
Absolut jeder dahergelaufene Tunichtgut kann die Würde seiner Mitmenschen antasten, wie auch seine eigene!
Dazu braucht es gar nicht viel Talent oder Engagement. Einfach rauf mit der Faust auf die Nase des Würdeinhabers und hinterher auf den sich am Boden vor Schmerz und Furcht krümmenden Fleischsack drübergepinkelt. BUMS! Würde im Arsch! Unwideruflich Aus-Die-Maus!
Klar, hinterher muß man mit Sanktionen seitens des Staates (oder der betreffenden Privatperson auf unbürokratischem Wege) rechnen ... aber das ist nicht der springende Punkt.
Artikel 1, Absatz 1 besagt ja nicht ... "Die Würde des Menschen ist ein hohes Gut. Wer sie verletzt, muß mit Konsequenzen rechnen" ... sondern ... "Die Würde des Menschen ist unantastbar.".
Unvollkommener Absolutismus.
Artikel 1, Absatz 1 LÜGT! Er ergibt keinen Sinn!

Jedenfalls zur Hälfte.
Es gibt da ja noch den bereits zitierten Zusatz: "Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."

Aha.
Nun ...
eine der wenigen Anekdoten, die mir aus meiner Zeit inner VERFICKTEN Fahrschule noch geläufig sind, ist jene welche vom nervtötensten Verkehrszeichen jenseits der VERSCHISSENEN Einbahnstrasse ...
Vorfahrt gewähren!




Früher hieß "Vorfahrt gewähren!" mal anders, nämlich "Vorfahrt achten!".
Bis irgendein Knallkopp vor Gericht mal mit der wahnwitzigen Ausrede durchgekommen is, er habe sehr wohl die Vorfahrt des durch seinen Bleifuß zu Schaden gekommenen Verkehrsmitteilnehmers geachtet, dann aber spontan entschieden, ihm diese nicht zu lassen.
Der Unterschied ist einfach ... Achtung - im Sinne von BEachtung - und Gewähr - im Sinne von Sicherstellung - ...
das eine umfaßt theoretische (An-)Erkenntnis, das andere faktische Umsetzung dieser Theorie.

Würde zu achten ist schön und gut, sagt jedoch keineswegs viel über ihren tatsächlichen, faktischen Schutz aus.

Macht ja nix, macht ja nix, im Grundgesetz steht ja
"... zu achten UND ZU SCHÜTZEN ...";
somit sind sowohl Theorie als auch Praxis abgedeckt.
Oder?

Ja.
Und nein. Denn "Schutz", ohne weiterführende Definition dieses Schutzes, kann alles und nichts bedeuten.
Was ist denn Schutz? Schutz vor Regen etwa findet man unter Schirmen, Dächern oder mitgeführten Taschentüchern in gar unterschiedlicher Qualität. Wäre der Schutz vor Regen grundgesetzlich vorgeschrieben, wäre noch immer nicht klar, ob die "staatliche Gewalt" ihren Bürgern nun ein Obdach zur Verfügung stellen oder nur ein gebrauchtes Taschentuch vor die Füße werfen muß, sobald es anfängt zu regnen. Auch über die zu Schutzzwecken mindestens notwendige Fläche des Taschentuches oder dessen Material gäbe es im Grundgesetz wohl nichts zu lesen, denn ...
für solcherlei Detailkram sieht unser Rechtssystem weiterführende Fachlitaratur vor.
Dutzende und Aberdutzende regelrechter Gesetzestextbibliotheken zu jedem erdenklichen Teilbereich tagtäglicher Lebensbestreitung. Da wird schon irgendwo drinne stehn, wie groß das Taschentuch genau zu sein hat. Ganz bestimmt.
Muß ja. OOOOOOODER?!?!?!?!

...
...
...

Ganz ehrlich ... ich hab nich den blassesten Schimmerling einer silberstreifigen Ahnungserspähung.
Ich weiß nicht, ob in den unendlichen Weiten des Strafgesetzbuches oder anderer Werke spach- und moralzersetzender Justiziererei klar und unmißverständlich erfaßt wird, was "Schutz von Würde" im Detail faktisch bedeutet.
Ich hoffe es, bezweifle es aber sehr.

Tatsache bleibt für mich:
Das Grundgesetz ist weniger Gesetz als Ansammlung anmutig klingender Richtlinien ohne durchsetzbaren Eigenwert.

Zu denken, man könne eine Unantastbarkeit von Würde ... eine Unantastbarkeit von IRGENDETWAS erreichen, indem man das notariell beglaubigt auf nen Zettel schreibt und hinterher als Gesetz deklariert, ist Irrsinn.
Ebensogut könnte ich jetzt auf meine Küchentischplatte kritzeln ... "Das seelische wie leibliche Wohl des Haushaltsvorstandes ist jederzeit sichergestellt." ... und das dann zur verbindlichen Hausordnung erklären.

Selbst wenn der Seetang irgendwann die uneingeschränkte Weltherrschaft an sich reißt, kann er eines niemals verwirklichen ... Unantastbarkeit. Egal wovon. Is einfach nich machbar.
Immerhin könnte der Seetang Begriffe wie "Achtung" und "Schutz" ausführlicher definieren, sich mit allen Mitteln um deren Durchsetzung bemühen ... damit hat es sich dann aber auch.



Was ich letztendlich mit meinem Gesabbel zum Ausdruck bringen will:
Man möge verschonen den weiteren "Kriegsverlauf" zwischen Kapitalismus und Humanismus mit der immergleichen Herumreiterei auf leeren Floskeln und offenkundigen Unsinnigkeiten!
So bleibt mehr Kraft und Energie für wirklich relevantes Treiben, was wiederum schneller zu -ähäm- antastbaren Resultaten führen wird.

Oh ...... übrigens ... so ganz nebenbei unauffälligst endegeländaristisch angemerkt ... auch der Begriff "Würde" an sich ist überaus vielseitig interpretierbar ............. ich sachs nur .................................

Keine Kommentare: