2012/12/07

Bodo #032: Mösenfürze



Liebes Bodo,

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heute möchte ich laut über Nazis nachdenken. Vielleicht hast du davon gehört ... vor kurzem wurde eine "rechte Terrorzelle" ausgeschaltet. Oder, wie es die Ministerpräsidentin von Thüringen, Frau Christine Lieberknecht, formulierte: "Diese 3 Personen, von denen 2 nicht mehr am Leben sind und die dritte, die Frau, die sich gestellt hat, die inhaftiert ist, sind im Moment nicht handlungsfähig."

Der Moment der Handlungsfähigkeit, verstrichen, ersetzt von einer Lebensspanne von Handlungsunfähigkeit. Oder liegt weniger die Fähigkeit als vielmehr der mangelde Wille zu Handeln dem Unvermögen eines Verfassungsschutzorganes zugrunde, eine Serie von offensichtlich artverwandten Gewaltverbrechen den eigentlichen Tätern zuzuordnen? Viel wird diskutiert über V-Männer und Blindheit auf rechten Augen, Unterwanderungen und Überreaktionen. Gibts überall zu lesen, muß ich an dieser Stelle nicht wiederholen.

Zwei Begebenheiten sind es, die mich an der Berichterstattung zu diesem Fall stören.
Einerseits wäre da die inflationäre Verwendung der Begriffe "Terror" bzw. "Terrorzelle" zu bemängeln. Terror hat nur dann eine Existenzberechtigung, wenn er terrorisiert ... also Angst und Schrecken verbreitet, insbesondere bei nicht unmittelbar Betroffenen. Eine "Terrorzelle", von deren jahrelanger, blutiger Aktivität erst nach dem Tode bzw. der Festnahme aller Angehörigen überhaupt Kenntnis genommen wird, hat schlichtweg, wie es in literarischen Kreisen so schön heißt, ihr "Thema verfehlt". Natürlich muß die Begrifflichkeit dennoch am Leben erhalten werden; zu gut funktionierte in der Vergangenheit der Terrorismus als Freibrief für alles Antidemokratische, Antirechtstaatliche weltweit. Wenn die dusseligen Wüstenneger nicht mehr bomben mögen oder können, müssen eben die Nazis herhalten. Verständlich, aber wohl nicht im Sinne einer sogenannten Bildungsrepublik.
Zum Anderen stellt sich mir einmal mehr die Frage, was an Nazis eigentlich so faszinierend ist ... was auch mich selbst immer wieder dazu verleitet, genau hinzuhören und zuzugucken, wenns um die braune Gemeinschaft geht. Morde sind Morde; ob diese nun von Nazis begangen wurden, spielt in erster Linie keine Rolle. Öffentlich verkauft wird die Angelegenheit als eine Art lange befürchtete, offene Kriegserklärung der Herrenmenschen, die nach langer Zeit der Vorbereitung und Planung nun aus dem Untergrund heraus drängen und morgen schon in alter Stärke durch unsere Straßen marschieren könnten.
Ebenso wie ein fetter Kinderschänder noch eine Feinunze abstoßender wirkt als ein Normalgewichtiger, ist es der Naziterror, der den "gewöhnlichen" an (Ge)Wichtigkeit zu übertrumpfen scheint ... und das bringt vorallem eines, nämlich Quote.

In unseren Wohnzimmern sind Hitler und Konsorten nahezu täglich zu Gast, sei es in Form von Fernsehfilmen, eigenartiger Dokumentationen oder aktueller Berichterstattung. Nazis ziehen fast so gut wie Sex, dürfen, im Gegensatz zum Sex, aber zu fast jeder Uhrzeit in nahezu x-beliebigem Kontext Konsumwillige locken. Nazis sind praktisch.
Außerdem kann man mit Nazis prima das Gutbürgerliche, politisch Korrekte in seinen Grundfesten erschüttern.
Damit werden Nazis mitunter sogar künstlerisch wertvoll.

Und weiter?


Niemand mag Nazis, offiziell jedenfalls, und doch halten wir an ihnen fest wie an einem Heiligtum, an einem alten, liebgewonnenen Brauch, der nicht sterben darf.

Und die Moral von der Geschicht'?
Gibt es nicht.
Alles wie immer. Alles, wie es sein soll. Alles, wie Gott es gewollt hat.

Darauf ne Plauze.


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In Liebe,
Samuel


(Erstveröffentlichung: 20. November 2011)

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